Dienstag, 21. Juni 2011

Everything happens for a reason...

Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich hatte nie gewollt, dass es so endet. Ich hatte gedacht alles würde irgendwann wieder in Lot kommen. Als ich in das tiefe, schwarze Loch starrte, erinnerte ich mich an einen Satz den ich mal in einem Buch gelesen hatte: "Alle Menschen bleiben nur bis zu einem bestimmten Punkt stark. Dann drehen sie durch." war sie durchgedreht? Oder wir?

Eigentlich war ich immer gern zur Schule gegangen. Ich kam mit allen gut aus, hatte eine beste Freundin, mit der ich über alles reden konnte und die mit mir über alles redete. Ich war sogar verliebt. Seit der Achten war es ein offenes Geheimnis, das Nick und ich, etwas voneinander wollten, irgendwann ergriff er nach der Schule die Initiative und lud mich auf ein Eis ein. Seit dem Tag waren wir zusammen. Und wir waren wirklich glücklich miteinander. Als meine beste Freundin Emily anfing mit David auszugehen, seinem besten Freund, freute ich mich für sie, wir berieten uns gegenseitig lang und breit, wie man am besten küsst und so weiter. Emily und ich machten alles zusammen, wir hingen in der Pause zusammen ab, telefonierten in den Ferien bis nachts um zwei und quatschten über alles.
Ich konnte mich genau daran erinnern, wann es anfing, als David knapp 2 Monate mit ihr zusammen war. Sie war seine erste richtige Freundin und er war abgöttisch in sie verknallt. Ich störte ihn plötzlich. Er wollte sie für sich allein haben. Wir standen auf dem Schulhof und redeten, da kam er und schubste mich zur Seite, er stellte sich einfach vor mich und lies mich nicht mehr zu Ihr. Das war nicht alles. Es fing grade erst an.

Als der Pfarrer anfing zu reden schaltete ich ab. Der hatte sie doch nicht mal gekannt. Aber ich. Und ich hätte merken müssen, wie es ihr ging. Stattdessen hatte ich mitgemacht und den anderen geholfen sie systematisch kaputtzumachen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?Hatte ich überhaupt gedacht? Und hätte ich sie retten können?

Nach weiteren zwei Monaten war mein Leben, zumindest in der Schule, die Hölle. David war Klassensprecher und obendrein der "King" der Klasse. Die Jungs hörten auf ihn. Und als sie merkten, dass er mich zum Opfer auserkoren hatte stiegen sie voll mit ein. "Fettie" war noch eines der netteren Sachen, die ich mir anhören musste. Sie mobbten mich wegen meiner Klamotten, egal was ich anhatte. Ich war verzweifelt. Ich hatte Angst irgendwas zu sagen, weil ich sonst eh nur nachgeäfft wurde. Ich ging nicht mehr zu Emily, David war ihr sowieso wichtiger, sie redete kaum noch mit mir und knutschte in jeder Pause nur mit ihm rum. David hatte erreicht, was er wollte. Ich war ihr egal. Zu Hause ritzte ich mir die Arme auf, und heulte mir die Augen aus dem Kopf. Aber immer nur, wenn es keiner sah. Meine Eltern hatten andere Probleme. Nick meldete sich nicht mehr oft bei mir. Er war Davids bester Freund. Ich wusste, auf wessen Seite er stand.Irgendwann entdeckte Emily die Narben an meinen Armen. Als ich ihr erzählte, warum es mir so schlecht ging, jammerte sie:"Emms, ich merk das gar nicht! Das tut mir so leid!" Ich glaubte ihr und gab unserer Freundschaft noch eine Chance.

Mir lief ein Regentropfen ins Gesicht, ich wischte ihn hastig weg. Gleich danach noch einer und noch einer plötzlich wurde mir klar, dass
es Tränen waren. Sie würde nie wieder zurückkommen. Sie würde nie wieder zu "Umbrella" singend durch mein Zimmer tanzen und mir danach lauter Herzchen auf meine Schreibtischunterlage malen. Sie würde nie wieder mit mir und meinen Brüdern Playstation spielen. Sie würde mir nie wieder sagen, dass sie mich liebte.

Ich war zwiegespalten. Auf der einen Seite stand Emma, die mir unendlich viel bedeutete. Meine erste große Liebe.Auf der anderen Seite David, der schon seit dem Kindergarten mein bester Freund war. "Guck dir doch mal an, wie die rumläuft!", zischte er mir in Mathe zu. Ich nickte, obwohl ich Emilys lila Jeans wesentlich schlimmer als Emmas schwarzes Top fand.
In der Pause belaberten die anderen Jungs mich von allen Seiten, wie uncool, fett und hässlich meine Freundin doch sei. Ich wusste, dass keiner von ihnen etwas gegen sie hatte. Aber was David sagte, war in dieser Klasse nun mal Gesetz. Und ich war sein Freund. Wenn er den Leuten plötzlich sagen würde sie sollten mich fertigmachen würden sie das tun.
"Sie sieht aus wie ein Panzer!", grinste Lucas. Ich wusste, dass Emma es gehört hatte. Sie stand nur drei Meter entfernt. Ich stimmte in das Lachen der anderen ein und nickte.

Am Tag als Nick mit mir Schluss machte brach meine Welt zusammen. Ich hatte es ihm heute sagen wollen. Ich hatte gehofft er würde bemerken, dass ich ihn jetzt brauchte. Dass ich ihn seit Wochen brauchte. Aber ich sagte nichts. Ich blieb stumm. Ich nickte. Er sagte, dass er mich sehr mögen würde. Aber es würde einfach nicht mehr gehen. David hatte was er wollte. Seit diesem Tag wusste ich, was ich zu tun hatte, damit sie endlich aufhörten.

Es war mir unglaublich schwergefallen mit ihr Schluss zu machen. Ich hatte es nie gewollt. Sie hatte jetzt gar keinen mehr. Emily war David wichtiger als alles andere, sie ertrug seine Launen und ließ sich von ihm unterbuttern. Wenn die beiden stritten, war Emma für sie da.Tag und Nacht. Wenn sie sich wieder vertrugen, behandelte sie Emma wie Luft. Ich konnte in den ersten Nächten vor schlechtem Gewissen und Liebeskummer nicht schlafen. Aber mein Leben ging weiter.

Ich war einer der Letzten, die noch auf dem Friedhof standen. Ich starrte immer noch in ihr Grab. Sie war 16 gewesen. Und würde für immer 16 bleiben. Als ich mit meinen Eltern zum Auto lief, legte mir jemand die Hand auf die Schulter. Es war Emmas Mom. "Nick, kann ich kurz mit dir reden?", fragte sie. Ich nickte. Sie war blass und ihre Augen waren vom vielen Weinen angeschwollen.Wir gingen ein paar Meter weg von meinen Eltern.
Emmas Mutter zog ein Stück Papier aus ihrer Hanstasche und hielt es mir hin.
Ich sah sie fragend an.
"Das ist ihr Abschiedsbrief." Sie versuchte sich zu beherrschen, ihr Gesicht zu waren.
Ich nahm den Brief. Ich musste mich zwingen darauf zuschauen. Emmas Handschrift. Ein Beweis dafür, dass sie gelebt hatte. Dass sie gelacht hatte, geweint hatte, Freunde gehabt hatte. Und, dass sie jetzt nicht mehr da war.
"Mom, Dad, macht euch keine Sorgen um mich. Es geht mir gut, das weiß ich. Es wird mir besser gehen. Egal wo ich jetzt bin. Nick, ich liebe dich. Es war deins. Ich weiß nicht, ob du es gewollt hättest. So hab ich dir die Entscheidung abgenommen. Ich wünsche dir wirklich, dass du glücklich wirst, und werde dich vermissen.
Alles Liebe, Emma."

Ich sah auf die Klinge des Messers hinunter. Ich sah das Blut, das aus meinem Hangelenk hervorquoll. Ich lächelte. In wenigen Minuten würde alles vorbei sein. Ich legte mich auf mein Bett und strich mit der anderen Hand über meinen Bauch. Ich spürte die letzten Herzschläge von Nicks Baby. Dann schlief ich mit einem Lächeln auf den Lippen ein. Endlich war es vorbei. 

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